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Heilung bis aufs Blut

Schmerzlindernd. Wie sich der Mensch die Eigenheiten des Blutegels medizinisch zu Nutze machte.

Text: Maya McKechneay

Gestatten: Hirudo Medicinalis.“ Wer sich so vorstellt? Nicht etwa ein exotischer Facharzt, sondern der zu Heilungszwecken eingesetzte Medizinische Blutegel – die sicherlich noch beliebteste Spezies von weltweit insgesamt 600, von Menschen äußerst ungeliebten Egelarten. In Freiheit ernähren sich Egel vom Blut verschiedener Warmblüter. Derart kraftvoll beißen sie dabei zu, dass ihre Zähne sogar das Fell einer Kuh durchdringen können. Nach dem Biss geben sie den gerinnungshemmenden Stoff Hirudin ins Blut des Wirtstieres ab. 1955 wurde diese Substanz erstmals aus den Köpfen von Egeln gewonnen und zu medizinischen Zwecken verwendet. Heute lässt sie sich aus gentechnisch veränderten Hefen in der Petrischale erzeugen.

TIERISCHE HELFERLEIN IM AKH
Dennoch spielen die Tierchen nach wie vor eine Rolle in Naturheilkunde und Schulmedizin. Auch im AKH Wien arbeiteten sie bis zum Vorjahr mit, eine pharmazeutische Fachkraft der Anstaltsapotheke kümmerte sich um die Blutegel, gefüttert wurden sie in den Krankenstationen. Pro Jahr kamen sie mehrere Dutzend Mal zum Einsatz. „Blutegel haben im Speichel eine komplexe Zusammensetzung von entzündungshemmenden, analgetischen und blutverdünnenden Substanzen – und all das spritzen sie hinein, wenn sie sich andocken und hineinbeißen“, sagt Mag. pharm. Martina Anditsch aHPh, die Leiterin der dortigen Anstaltsapotheke.

EGELSPEICHEL BEI ENTZÜNDUNG UND SCHMERZ
Bei Transplantationen und Hautverpflanzungen sollen die im Egelspeichel enthaltenen Wirkstoff e die Wundheilung beschleunigen. Saugende Blutegel lindern Schmerzen und Entzündungen bei Arthrose und tragen dazu bei, Blutgerinnsel bei Thrombosen aufzulösen und den Abfluss des Blutes zu verbessern.

Übrigens: Medizinische Egel werden aus hygienischen Gründen nur ein einziges Mal am Menschen verwendet. Haben sie ihren Dienst getan, werden sie getötet oder dürfen den Ruhestand mit ihresgleichen verbringen. Klingt nach einem Witz? Nein: Sogenannte „Rentnerteiche“ für medizinische Egel gibt es wirklich. Viel Glück demjenigen, der glaubt, er könne gemütlich darin baden.

FUN FACT
Auch im Keller der Herba stand bis in die 1990er-Jahre noch ein Fass mit Blutegeln. Mittlerweile wurden diese allerdings in die wohlverdiente Pension geschickt.

Illustrationen: shutterstock.com / Alexander_P / Alexander Yurkevich / Undrey