Matthias Krenn, Vorsitzender des Überleitungsausschusses der ÖGK „Mit der Kassenfusion setzen wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Sozialversicherung. Leistungen und Verfahren, etwa bei Bewilligungen, werden österreichweit harmonisiert. Die Gesundheit der Versicherten ist dabei unser oberstes Ziel. Laut einer Studie stehen einmalige Kosten von 300 bis 400 Millionen Euro einem jährlichen Einsparungspotenzial von 277 bis 337 Millionen gegenüber – die Kosten werden sich also rasch amortisieren. Wir bauen Doppelgleisigkeiten ab und reduzieren die Bürokratie. Beschaffung, Rechnungslegung und IT werden zentral gesteuert, Gremien und Funktionärsstellen verringert. Die wichtige Rolle der Apotheken für die flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist uns bewusst. Wir möchten Apothekerinnen und Apotheker künftig stärker in die Prävention einbinden, noch ist es aber zu früh für konkrete Aussagen. In der ÖGK ist für sie künftig der Fachbereich Versorgungsmanagement zuständig, regionale Ansprechpartner wird es auch weiterhin geben.“ |
Alois Bachmeier, WGKK-Obmann „Die Fusion der Krankenkassen droht zum Milliardengrab zu werden. Dem öffentlichen Gesundheitssystem werden rund 500 Millionen Euro entzogen, hinzu kommen Fusionskosten in dreistelliger Millionenhöhe. Leistungskürzungen und Selbstbehalte werden die Folge sein – wir rechnen mit einer Mehrbelastung für die Versicherten. Auf lokale Bedürfnisse kann nicht mehr wie bisher eingegangen werden. Was auch kommt, ist eine Drei-Klassen-Medizin: Politiker und Beamte erhalten das Top-Paket, gefolgt von den Selbstständigen und sieben Millionen Menschen, die künftig in der Österreichischen Gesundheitskasse versichert sind. Statt der versprochenen Harmonisierung der Leistungen werden die Unterschiede mit der Reform noch größer.“ |
Mag. pharm. Heinz Kadlez, Lindwurm Apotheke, Wien „Im Prinzip ist die Zusammenlegung eine gute Sache, um Synergieeffekte nutzen zu können. Ein Beispiel: Bei Versicherten aus Niederösterreich müssen wir heute das Originalrezept zur Bewilligung per Post einschicken, während in Wien ein Fax reicht. Das ist für uns ein an sich nicht notwendiger bürokratischer Aufwand – und für Patienten eine unzumutbare Warterei. Es ist auch schwer verständlich, dass manche Leistungen von einer Krankenkasse übernommen werden, von der anderen hingegen nicht, etwa bei Heilbehelfen. Ähnlich ist es beispielsweise bei der Zahnmedizin, wo es unterschiedliche Kassentarife und Selbstbehalte für die gleiche Leistung gibt. Hier wäre sicher eine Harmonisierung wünschenswert, hoffentlich nicht zu Lasten der Patienten!“ |
Mag. pharm. Bernd Edler, St. Martin Apotheke, Villach „Wenn Patienten mit Spezialfällen kommen und Bewilligungen einzuholen sind, ist es für uns essenziell, regionale Ansprechpartner zu haben. Wir greifen zum Telefon und klären Dinge auf kurzem Weg ab. Ob wir diese direkten Kontaktpersonen in Zukunft noch haben werden, steht in den Sternen. Ich vermute, dass die neue ÖGK den gesamten Informationsfluss, der täglich stattfindet, zentralisiert abarbeiten wird. Bei großen, internationalen Unternehmen ist es häufig mühsam, wenn man in einem Callcenter landet. Man darf nicht vergessen, dass die Patienten nach der Entlassung aus dem Spital oft Unterstützung brauchen. Als Gesundheitsdienstleister sehen wir zu, dass wir ihnen weiterhelfen können. Die Harmonisierung der Gesundheitsleistungen für alle Österreicher macht aber Sinn. Denn warum sollte einem Steirer die Wunde anders versorgt werden als einem Wiener oder Kärntner? Das ist nicht nachvollziehbar. In dieser Hinsicht ist die Fusion ein Schritt hin zu mehr Transparenz und sicher ein Vorteil für den Patienten.“ |
Mag. pharm. Nora Jellenz, Apotheke Andritz, Graz „Die Kassenfusion hat Vor- und Nachteile. Dass das System harmonisiert wird, ist für Patienten sicher positiv: Vorgänge zentral zu steuern kann leichter und effizienter sein. Als österreichweite Organisation kann die ÖGK jedoch auch mehr Druck ausüben als kleinere Kassen auf Bundeslandebene. Das könnte dazu führen, dass die Konditionen im Gesamtvertrag, wo geregelt ist, wofür die Kasse aufkommt, verändert werden. Dass der Vorsitz des Dachverbands von den Obmännern bzw. Obfrauen in Rotation übernommen wird, sehe ich kritisch, weil das eine diskontinuierliche Arbeitsweise nach sich ziehen könnte. Tatsache ist, dass wir aktuell nur wissen, dass die Zusammenlegung über die Bühne gehen wird, aber die genauen Auswirkungen nicht kennen. Umso wichtiger ist es, dass die Apotheken sich klar positionieren und für ihre Interessen eintreten.“ |
Dr. Martin Korsatko, Barbara-Apotheke, Bärnbach „Veränderung ist in Österreich relativ schwierig, die Reformbereitschaft hält sich in Grenzen. Wenn man aber muss, dann geht es auch! Gegen die Digitalisierung in der Apotheke gibt es auch oft Widerstände – am Ende ist aber alles halb so schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass es bei der Kassenfusion genauso sein wird. Sie ist zwar ein großer Eingriff ins Gesundheitssystem, ich erhoffe mir davon aber einige Vorteile für die Versicherten, zum Beispiel dass die Leistungen österreichweit angeglichen werden und es unkomplizierter wird, Rezepte von Wahlärzten einzulösen oder Bewilligungen durch den Chefarzt einzuholen. Positiv wäre, wenn wir Apotheker gemeinsam mit den Krankenkassen auch mehr für die Vorsorge tun könnten, etwa durch eine Kassenfinanzierung von Grippe- oder FSME-Impfungen für alle Versicherten. Damit könnten wir die Impfraten deutlich erhöhen.“
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